Freitag, 16. Juli 2010

Auf dem Weg zur Strohhütte


Auf dem Weg zu meiner Strohhütte, wurde ich durch den hell leuchtenden Sternenhimmel daran erinnert, dass ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen habe. Ich weiß nicht genau wann es dazu gekommen ist, aber in den letzten Wochen gab es für mich nur fliegen, oder nicht fliegen. Dabei habe ich vergessen, wie schön es hier ist und wie sehr ich es eigentlich genossen habe die Natur zu beobachten. Ich versuche es jetzt so zu formulieren ohne kitschig zu werden, was mir aber schwer fallen wird weil es die Eindrücke hier fast nicht zulassen.
Wie gesagt, ich war auf dem Weg zu meiner Strohhütte. Ich befand mich auf Likoma Island und war nach dem Abendessen (frischer Fisch mit Kartoffeln und Gemüse) bereit fürs Bett. Auf halben Weg bin ich an Ort und stelle stehen geblieben und habe für ein paar Minuten inne gehalten. Wieso? Was habe ich gesehen was so aufregend ist? Es war der Mond der knapp über dem Horizont gestanden is. Obwohl er nur sichelförmig war hat sich sein goldener Schein auf dem schlafenden See gespiegelt und so den Sandstrand erhellt. Das Licht war gerade so stark, sodass man trotzdem millionen Sterne am Himmel sehen konnte. Irgendwo draußen am Wasser waren die vielen kleinen Lichter der Fischerboote zu erkennen, die wie Laternen in der Ferne herumgetanzt haben um Fische anzulocken. Mit den Füßen im Sand und den Augen nach oben, eingehüllt in die angenehm kühle Luft der Nacht konnte ich ihr wieder lauschen… der Stille, die man bei uns so vergeblich sucht. Nur das Lagerfeuer neben mir hat geknistert, indem sich ein junges Pärchen sein mitgebrachtes Abendessen gekocht hat. Genau diese Minuten werde ich vermissen wenn ich einmal nicht mehr hier sein werde und genau diese Minuten werden mich immer wieder nach Afrika zurück holen. Wann auch immer das sein mag und zu welchem Zweck.
Ich habe aufgehört zu zählen wie oft ich schon auf dieser Insel war, aber mir hat dieser Aufenthalt wieder gezeigt wie schön es hier eigentlich ist. Ich habe mich schon öfter darüber beschwert herkommen oder wieder drei Nächte hier verbringen zu müssen. Aber man darf nicht aufhören das zu schätzen was man hat, auch wenn es manchmal so scheint, als würden die Farben verblassen.
Um jetzt den Kitsch doch noch etwas zu mindern, möchte ich gerne einen Ausschnitt aus dem Buch das ich gerade lese hier einfügen. Mein Freund Flo hat es mir zum Abschied geschenkt und es heißt „Afrikanisches Fieber“ geschrieben von Ryszard Kapuscinski. Der Autor ist mit Nomaden durch die Wüste gezogen und mit Partisanen durch den Busch. Insgesamt hat er vierzig Jahre in Afrika verbracht und in diesem Buch seine Erlebnisse und Abenteuer niedergeschrieben. Ich habe es noch nicht zu ende gelesen, aber nachdem ich diesen Absatz gesehen habe, musste ich ihn einfach auf meinen Blog stellen. Denn er ist mehr als zutreffend und um einiges besser formuliert als ich das je könnte:

Wir steigen in den Autobus und nehmen unseren Platz ein. In diesem Augenblick kann es zur Konfrontation zweier Kulturen, zur Kollision und zum Konflikt kommen. Das geschieht, wenn der Passagier ein Neuankömmling ist, der Afrika nicht kennt. So ein Mensch beginnt sich umzudrehen, umzuschauen und zu fragen: „Wann fährt den der Autobus ab?“ „Was heißt wann?“ sagt der Fahrer erstaunt. „Wenn so viele Leute beisammen sind, dass er bis auf den letzten Platz besetzt ist.“

Europäer und Afrikaner haben zwei völlig verschiedene Zeitbegriffe, sie nehmen die Zeit anders wahr, haben eine andere Einstellung ihr gegenüber. In der Übersetzung des Europäers existiert die Zeit außerhalb des Menschen, objektiv, gleichsam außerhalb unserer selbst, und besitzt eine messbare, lineare Qualität. Nach Newton ist die Zeit absolut: „Die absolute, wirkliche und mathematische Zeit fließt in sich und ihrer Natur gleichförmig, ohne Beziehung zu irgend etwas außerhalb ihrer Liegenden…“ Der Europäer sieht sich als Diener der Zeit, ist von ihr abhängig, ihr untertan. Um funktionieren zu können, muss er ihr ehernen, unverrückbaren Gesetze, ihre starren Prinzipien und Regeln achten.
Er muss Termine einhalten, Daten, Tage und Stunden. Er bewegt sich innerhalb des Getriebes der Zeit, kann außerhalb des Getriebes nicht existieren. Dieses Getriebe drückt ihm seine Zwänge, Aufforderungen und Zwänge auf. Zwischen dem Menschen und der Zeit besteht ein unlösbarer Konflikt, der immer mit der Niederlage des Menschen endet – die Zeit zerstört ihn.

Ganz ander sehen die Eingeborenen, die Afrikaner die Zeit. Für sie ist die Zeit eine ziemlich lockere, elastische, subjektive Kategorie. Der Mensch hat Einfluss auf die Gestaltung der Zeit, ihren Ablauf und Rhythmus. Die Zeit ist sogar etwas, was der Mensch selbst schaffen kann, weil die Existenz der Zeit zum Beispiel in Ereignissen zum Ausdruck kommt, ob es aber zu diesen Ereignissen kommt oder nicht, hängt schließlich vom Menschen ab. Wenn zwei Armeen auf eine Schlacht verzichten, dann hat diese Schlacht nicht stattgefunden (das heißt die Zeit hat ihre Existenz nicht unter Beweis gestellt, existierte nicht).

Eine völlige Umkehrung des europäischen Denkens. In Umsetzung auf praktische Situationen bedeutet das: Wenn wir in ein Dorf kommen, wo am Nachmittag eine Versammlung stattfinden soll, aber am Versammlungsort niemanden antreffen, ist es sinnlos zu fragen: „Wann wird die Versammlung stattfinden?“ Die Antwort ist nämlich von vornherein klar: „Wenn sich die Menschen versammelt haben.“ 

Ryszard Kapuscinski, Afrikanisches Fieber


Ob man dieses Zeitgefühl, diese Art zu denken annehmen will oder nicht, muss hier jeder für sich entscheiden. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen wenn ich sage, man würde verzweifeln täte mans nicht!




































































































5 Kommentare:

  1. Bin schwerst beeindruckt und hingerissen von deinen aktuellen Gedanken zum Leben! Pap

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